Fünf Tage in Gomoi
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Die Familie, bei der wir 5 Tage im Dorf gelebt haben. |
Höhepunkt des Orientierungsseminars war der Dorfaufenthalt. Jeder Teilnehmer wurde einer Waspapa-Familie zugeteilt. Waspapa kommt vom englischen "watch" + "Papa" und bedeutet so viel wie "Betreuer" oder "Mentor" "Pflegevater". Ziel der Besuchs war es, die Kultur auf dem Dorf kennen zu lernen und unser erlerntes Pidgin anzuwenden und zu vertiefen. Der Aufenthalt war für mich eine etwas frustrierende Erfahrung - was die Romantik betrifft - , und gleichzeitig hat er mir die Augen für die Entwicklung in den letzten 10 Jahren in PNG geöffnet.
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Wir wurden nach Gomoi zu einer jungen Familie mit drei kleinen Kindern gebracht. Die Familie ist sehr nett. Am Anfang etwas schüchtern kamen wir bald zusammen. Doro half der Wasmama, ich teilte die Arbeit mit dem Mann. Wir hatten ein ganzes Stockwerk für uns allein. Wie erwartet gab es ein Plumpsklo und fließendes Wasser am Bach ein paar Minuten entfernt. Aber dann kam es: Es gab elektrischen Strom, es gab elektrisches Licht, es gab einen Kühlschrank, es gab Mobiltelefon, und es gab einen Fernseher. Alles Dinge die es 2001 und auch 2007 noch nicht gab. Unsere Waspapa-Familie konnte mindestens genausogut Englisch wie Pidgin. Ab der dritten Jahrgangsstufe wird nämlich in Englisch unterrichtet(!). Also nichts mit Dorfromantik. Sondern aufstrebende junge Menschen, die gerne im Dorf sind und das beste herausholen.
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In der Schule hatte unser Waspapa in der 10 Klasse Grundelemente des Umgangs mit Strom gelernt und dann sein Haus elektrifiziert. Besonders kirchlich war unsere Familie nicht. Unser Waspapa blieb zur Gottesdienstzeit daheim, schraubte seinen Fernseher auseinander, entstaubte ihn und baute ihn wieder zusammen. Der Staub zieht Milben an, Milben Ameisen, Ameisen Geckos, und das ist dann das schnelle Ende des Fernsehers oder Computers. Durch diese Aktion soll der Fernseher länger halten. Und ich dachte mir, das könntest Du mit Deinem PC auch machen. Warum hat mir das noch niemand vorher in PNG beigebracht? Ich würde allerdings eine andere Tageszeit bevorzugen. Unsere Waspapfamilie wusste übrigens nichts von der Missionsgeschichte ihres Dorfes. Ein Zeichen von Traditionsabbruch. Im Prinzip war es eine säkularisierte Familie nicht anders als in Deutschland auch, nur dass es noch keine Wasserleitung und kein Abwasser gibt.
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Fernseher und Wiege |
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Blick in die Küche. Links ist ein kleiner Vorratsraum. Über dem Feuer auf einem Gitter werden Lebensmittel getrocknet. |
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Dorothee liest den Kindern aus der Kinderbibel vor, die wir der Familie als Geschenk mitbrachten. Leider stellte sich heraus, dass die Sprache (wenn überhaupt) für ältere Kinder gedacht war. Für uns war es eine gute Pidgin-Übung. |
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Als wir kamen, war gerade jemand gestorben. Das ganze Dorf bereitete ein Essen für die Beerdigung vor. Hier wird gerade die Lage besprochen. |
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Männerarbeit: Öffnen der Kokosnüsse |
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Männerarbeit: Ausschaben der Kokosnüsse. Ich hab's auch getan. |
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Mit dem Kokosfleisch wird dann von den Frauen gekocht. Z.B. Gemüse im Kokoswasser. |
Für die Beerdigung wurde übrigens ein eigenes Besuchshaus errichtet. Den ganzen Tag kommen Leute und reden mit den Angehörigen. Manchmal dauert das auch mehrere Tage. Auch wir haben einen Trauerbesuch abgestattet. Als sich Dorothee vorstellte, gab es eine Diskussion über Frauenordination. Anwesend war vor allem die ältere Generation. Die einheimischen Männer setzten sich stark dafür ein, die einheimische Frau war wortgewaltig dagegen. Alles zusammen ein Zeugnis ernsthaften Ringens um die rechte Ausgestaltung des Leben aus dem Glauben.
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Es gibt auch einen kleinen Dorfladen - aber im Laden gibt es keinen Kredit: "nogat dinau" |
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Mama ist fort |
Bau eines neuen Küchenhauses
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Bau einer Ablage |
Unsere Waspapa-Familie plant den Abriss der alten Küche, um sie durch eine bessere zu ersetzen. Sie bauen zunächst eine provisorische Küche (Haus-Kuk), um dann die alte Küche abzureißen und am selben Platz eine neue zu erstellen.
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Ein Buai-Baum wird gespalten, um daraus eine Wand zu machen. Man könnte dazu auch Bambus nehmen. |
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Der gespaltene Stamm wird entkernt bzw. geglättet |
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Fertig ist das Wandstück. Hinten erkennt man, dass es sogar eine Spüle in der provisorischen Küche gibt. Links unten ist die Feuerstelle, an der wir Kokosöl gewonnen haben. Auch für dieses Haus Kuk gab es elektrisches Licht. |
Wie man eine Kokosmatte macht
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Man nehme einen Kokospalmzweig |
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Für den Anfänger ist es nicht einfach, keinen Flechtfehler in das Muster zu flechten. |
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Kokosmatten dienen als Schlaf- oder Sitzunterlage. |
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Man kann auch Fächer aus Kokoszweigen machen oder auch Taschen. |
Zum Garten der Waspapa-Familie
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Um zum Garten zu kommen, geht man einen Fußweg über Berg und Tal. Wir überquerten einen Bach, in dem sich irgendwelche unschönen Krabbeltiere bewegten.
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Mein Waspapa war ganz entzückt und fing das Sammeln an. Es handelte sich um "Kindam", engl. "Prawn", dt. Garnelen. Normalerweise werden sie nachts gefangen.
Es gab sie zum Abendbrot und sie schmeckten ausgezeichnet. Als Gäste der Familie bekamen wir die größten Teile zugeschoben. |
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Am Weg zum Garten steht eine Dorf-Kokosnuss-Trocknungsanlage. Die Zwischendecke besteht aus einer Stahlgittermatte. Oben kommen die Nüsse drauf. Unten wird Feuer gemacht. Erstaunlich einfach. |
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Unterwegs zeigte mir der Waspapa eine Vanillepflanze. |
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Von einem Berg aus konnte man Haus unserer Waspapa-Familie sehen. (Teleaufnahme aus zwei Kilometern Entfernung). Unsere Familie stellte uns den ganzen (!) oberen Stock zur Verfügung. |
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An einem Friedhof vorbei kamen wir schließlich am Kokosnussgarten an. Man braucht etwa eine halbe - dreiviertel Stunde, um zu Fuß dorthin zu kommen. Eine Fahrstraße gibt es nicht. Alles wird dorthin getragen und von dort zurück. Manchmal wird in einer Hütte im Garten geschlafen.
Zuerst sammelten wir hier reife heruntergefallene Kokosnüsse mit trockener brauner Schale. Das ist etwa wie Pilze-suchen, weil das Gras und die Büsche recht hoch und dicht sind. |
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Dann ging unser Waspapa ging auf die Palme. Er bestieg sie ohne Hilfsmittel. Viele Einheimische benutzen dazu ein Seil, dass sie um die Füße legen, mit dem sie sich dann am Stamm festhalten können. Mit den Füßen werden die noch grünen Nüsse vom Baum gestoßen. Sie heißen dann "Kulau" und haben noch kaum Fleisch, dafür aber einen klaren Saft, der sehr gut Durst löscht und alles was man braucht, um verloren gegangene Mineralien wieder aufzufüllen.
Ich habe es nicht einmal versucht, auf die Palme zu klettern, aus Angst um mein Leben. Aber es gab zwei Teilnehmer im Kurs, die es versucht und überlebt haben. Wir anderen Teilnehmer erschauerten vor Ehrfurcht. |
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Entfernen der Kokosnussschale. Ohne Schale sind die Nüsse erheblich leichter zu tragen. |
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Wenn man den Trick kennt geht es etwas leichter. |
Wie man Kokosöl gewinnt
Weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie man aus dem Kokosfleisch Öl gewinnt, hat unsere Waspa-Familie extra für uns Kokosöl gekocht.
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Zuerst wird das Kokosfleisch über Nacht in Wasser eingeweicht. Es fängt zu gähren an. Etwa so, wie beim Sauerteig. |
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Dann wird der sich bildende Rahm abgeschöpft |
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In einer Pfanne wird das Wasser verdampft.
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Das übrig bleibende Öl wird in ein Gefäß gefüllt. Das Öl kann man zum Kochen verwenden, als Hautcreme oder als Medizin.
Kokosöl machen ist eigentlich nicht schwierig - oder? |
Abschiedsfeier
Am Ende bereitete unsere Waspapa Familie mit den verwandten Nachbarn, die auch eine Kursteilnehmerin aufgenommen hatten, ein großes, schönes Abschiedsfest mit tollem Buffet. Ich hatte Gelegenheit, mich auf Pidgin mit mehreren älteren Männern über das Dorf und seine Geschichte zu unterhalten.
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Ein erster Geburtstag wurde gleich mitgefeiert. Die Torte wurde wie bei einer Hochzeit feierlich angeschnitten. Die Torte wurde extra beim Konditor in der Stadt gekauft und hat sehr viel gekostet. |
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Abschiedsfoto. Zu den drei Kindern unserer Waspapa - Familie haben sich noch drei weitere Kinder dazugemogelt, die unbedingt auch noch mit aufs Foto wollten. |
Sehr beeindruckt hat uns, wie die Menschen im Dorf sich fast völlig selbst versorgen: Nahrung, Material für Hausbau, Feuerholz. Geld für Strom und Kleidung erhält man durch Verkauf von Gartenerzeugnissen. Man kann mit sehr viel weniger auskommen und trotzdem muss einem dabei nichts fehlen. Es ist harte Arbeit, aber ohne den Stress, den wir in der Regel dabei haben. In dieser Woche haben wir mehr als Pidgin gelernt. Wir haben hohe Achtung vor der Dorfkultur gewonnen und wirklich nette Menschen kennengelernt, die sich alle Mühe gegeben haben, es uns schön zu machen - und es ist ihnen gelungen! Ich kann es verstehen, warum viele Junge Leute hier sich ganz bewußt für ein Leben auf dem Dorf entscheiden anstatt in die Stadt zu gehen und dort Geld zu verdienen, dass Ihnen dann doch von der Familie genommen wird. Aber davon später einmal.
- zur Chronik 2012 -
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